Hyperbaustelle

2111 – Plattenwechsel

Freitag, 30. Dezember 2011 von nov

nov, 30. Dezember 2111

Was wird aus meinen Daten, wenn ich einmal nicht mehr bin? Eine Frage, die sich mir am Ende jedes Jahres stellt. Wie oft haben meine digitalen Habseligkeiten schon die Festplatten und Wolken gewechselt, und immer noch stehen sie mir zur Verfügung. Natürlich nur insofern ich mich an etwas mehr oder weniger Bestimmtes erinnern kann, und mir ein Suchwort einfällt, es zu bergen.

Was haben die virtuellen Selbsterweiterungen aus mir gemacht? Einen Such- und Sicherungsimpuls? Einen Kontrollwunsch, der sich mittels elektronischer Prothesen durch sein digitales Reich bewegt?

Werde ich in diesen Daten weiterleben? Sind sie – ähnlich wie in der Ergebnisliste einer großen Suchmaschine – eine Spiegelung, die es noch gibt, auch wenn das Originaldokument bereits gelöscht wurde? Und was heißt Löschen in einer Zeit, in der aus DNA oder Speicherzelle doch alles wieder restauriert werden kann?

To be continued …

Alle Tagebucheinträge von nov aus dem 22. Jahrhundert

2111 – Zeichenschwärme wie wir

Montag, 21. Februar 2011 von nov

nov, 21. Februar 2111

Gloria ist in die Stadt gezogen. Sicher, wir werden uns besuchen, aber doch sehr viel seltener sehen. Und die vielen Kontakte, die sie in der Wasserlilie neu knüpfen wird, werden sie stark in Beschlag nehmen. Macht mich das eifersüchtig? Auf was sollte ich eifersüchtig sein? Auf elektronische Signale? Die uns so schön gleich machen und die emotionalen Spitzen cutten.

Wenn wir hier auf dem schwindenden Land eines gelernt haben: Etwas fehlt beim Kontakt über die elektronischen Kommunikationsmittel, so echt sie auch 3D-Bilder in den Raum zaubern mögen. Dieses Defizit stört mich bei den meisten meiner Kontakte nicht, von denen ich notwendig froh bin durch ein virtuelles Gitter getrennt zu sein. Bei Gloria schon. Nun wird sie sich also auch in diesem Zeichenschwarm auflösen, der unser Miteinander dominiert; in Schrift, Bild, Ton und Hologramm; in einen Avatar, der Freunde, Diskussionen und Meetings hat, der bei aller Präsenz ständig außer Reichweite ist.

To be continued …

Alle Tagebucheinträge von nov aus dem 22. Jahrhundert

Herbstlicher Hypertext

Mittwoch, 01. Dezember 2010 von urb

Die Hyperbaustelle ist im Herbst umgezogen, wie die Betreiber. Die Menge der Beiträge ging deshalb zurück, die Zugriffsstatistik aber weiter nach oben. Der erste Rückblick seit Juli umfasst philosophische An- und politische Erregungen. Und ein sich immer besser auch in Kommentaren entfaltendes Tagebuch 2110.

Tim Berners-Lee

1989 schlug Tim Berners-Lee seinem Arbeitgeber CERN ein Projekt vor, das auf dem Prinzip des Hypertexts beruhte und den weltweiten Austausch sowie die Aktualisierung von Informationen zwischen Wissenschaftlern vereinfachen sollte. Hieraus entstand das WWW.

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2110 – Entlobbyfizierung

Samstag, 20. November 2010 von nov

nov, 20. November 2110

Gloria sagte heute zu mir, sie sei nach der Entlobbyfizierung regelrecht aufgeblüht. Als damals einem letzten Vertreter einer hartnäckigen politischen Partei in einem basisdemokratischen Übungscamp die Machtflausen ausgetrieben worden waren und sie wusste, dass von nun an jede Abstimmung über das Terminal eine Konsequenz haben würde, da hätte sie eigentlich erst zu leben begonnen. Auch war sie von Anfang an von der Idee begeistert, dass Cypols, diese braven Politroboter, über die Auswertung der Abstimmungen wachen und ihre Umsetzung garantieren. Zu wissen, dass kein Betrug mehr möglich sei, mache es ihr leicht, sich der Mehrheit zu beugen, falls diese anders als sie selbst denke. Endlich seien diese politischen Relikte, vom Gottesurteil über die Parteien bis hin zum Personenkult, vom Tisch. »Es soll Leute geben, die die Abstimmungen und Cypols hacken und manipulieren«, bemerkte ich. Ein Miesmacher sei ich, meinte sie, überhaupt triebe ich mich zerebral zu viel in der Vergangenheit herum.

To be continued …

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src = Utopie?

Dienstag, 16. November 2010 von urb

Für Webpioniere war der Hypertext eine Utopie der subjektiven Verknüpfungen. Weil alles mit allem verbunden werden kann. Weil die Herkunft des einzelnen Textelements (der Autor) in großen Netzcollagen ins Schweben gerät. Ist dieses Attest in einem auf Vermarktung abzielenden Umfeld eigentlich gerechtfertigt? Bedenkzeit auf der Hyperbaustelle.


Der Lyrikdienst von Martin Auer liefert mit jedem Reload der Seite einen neuen Haiku per Zufallsgenerator. Ein schöner Kontrast: Mitten im globalen Hypertext wählt Auer diese vollkommen in sich ruhende Form.

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2110 – Cybermoral mit Pfiff

Dienstag, 27. Juli 2010 von nov

nov, 27. Juli 2110

Heute wird mit Informationen gesteinigt. Enthüllungen kommen als Holografie ins Haus. Auf den Schiedsplattformen im Netz können sie eingeladen werden. Man sieht sich schon bald umringt von den gewaltigsten Vergehen und erlebt sie plastisch mit.

Aber wie detailliert müssen die Beweise sein, dass man erkennt, dass kriegsähnliche Zustände Kriege sind, dass Kriege brutal und nicht chirurgisch geführt werden und grundsätzlich zivile Opfer fordern? Leider ist es so, dass uns die fortwährenden Enthüllungen abgestumpft haben. Sie haben sich mit einem fiktiven Charme ausgestattet, und gerne sagt man: „Wieder mal eine gut gemachte Denunziationskampagne!“

Trotzdem gibt es keine Alternative zum Blasen der Pfeife, gerade wenn man, bestätigt durch Dokumente und Holobeweis, plötzlich sicher weiß, was man schon immer wusste.

To be continued …

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Ecosia – eine nachhaltige Geschäftsidee

Mittwoch, 07. Juli 2010 von urb

Nachhaltigkeit ist schon längst zum Marketingargument geworden. Die Suchmaschine Ecosia spricht Nutzer gezielt über die Mithilfe bei der Rettung des Regenwalds an. Jana Kroll ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und äußert sich auf der Hyperbaustelle zu persönlichen Motiven, Zielen und Utopien im Zusammenhang mit nachhaltigen Geschäftsideen.

Jana Kroll von Ecosia

Jana Kroll von Ecosia; Foto: Privat

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Netzkultur – Utopie oder Inzest?

Montag, 17. Mai 2010 von urb

Hier ein Fundstückchen, da eins – im Netz sind fleißige Sammler unterwegs. Ihre elektronischen Briefmarkenalben sind hübsch anzuschauen, durchaus geistreich und mit seltenen Stücken veredelt. Aber allzu oft täuscht das bunte Spektrum kosmetisch über die Tatsache hinweg, dass es an Aussagen mangelt und das Netz sich an zahlreichen Stellen einfach reproduziert. So kann man unter der Make-up-Schicht der Aktualität alles oder nichts in der Netzkultur finden – oft auch leider letzteres.

Frank Westphal, der Macher des News-Aggregators Rivva

Frank Westphal, der Macher des News-Aggregators Rivva, möchte den anschwellenden Informationsfluss im Web durch eine Frank-Schirrmacher-Maschine bändigen, die umso besser wird, je länger man sie benutzt.

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Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace

Sonntag, 07. Februar 2010 von urb

Am 8. Februar 1996 veröffentlichte John Perry Barlow die »Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace«. Er wandte sich vor allem an die amerikanische Regierung und kritisierte den „Telecommunication Act“, da dieser die Freiheit des Cyberspace bedrohe. Die Hyperbaustelle möchte an diesen Jahrestag in einem Auszug erinnern.

Bei Wikiopole wird die Blogosphäre und ihre Vernetzung visualisiert - die deutsch in dieser Grafik. Die Farben stehen für inhaltliche Kategorien von Kultur (orange) über Politik (weiß) bis kreativ (pink).

Ein geistiges Netz: Bei Wikiopole wird die Blogosphäre und ihre Vernetzung visualisiert - die deutsche in dieser Grafik. Die Farben stehen für inhaltliche Kategorien von Kultur (orange) über Politik (weiß) bis kreativ (pink). Quelle: http://labs.wikio.net/wikiopole/de/

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Auswege finden (mit Alexander Kluge)

Donnerstag, 31. Dezember 2009 von urb

Wer kennt es nicht: Man arrangiert sich mit einer Situation, unter der man eigentlich leidet, und vernachlässigt es, Auswege zu suchen. Irgendwann holt einen das Ganze ein und wird zur echten Katastrophe. Die Dialektik von Ausweg und Ausbruch wurde in einem Gespräch zwischen »Freitag«-Redakteuren und Alexander Kluge untersucht. Kluge, die Verkörperung des deutschen kritischen Films und der Qualitätsgarant im deutschen Privatfernsehen, spricht sich für das in unserem Erbe enthaltene Klügere aus, für die Zukunft, die wir als Potenzial in uns tragen.

Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. (Walter Benjamin; Bild: Klee, Angelus Novus)

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2109 – Barbarische Notschalter

Samstag, 12. Dezember 2009 von nov

nov, 12. Dez. 2109

Barbarische Urzeiten, als die meisten kritischen Stimmen aus dem Internet per Notschalter verbannt wurden. Angeblich wegen Urheberrechtsverletzungen. Dazu brauchte es nicht mal ein Gerichtsurteil. Barbarisch auch das natürliche Erscheinungsbild in dieser Zeit, als in den Breiten, in denen ich residiere, vor allem noch Fichtenwälder wuchsen. Saurer Regen und Klimawandel haben sie ausgeschaltet. Es gibt nur noch einige Exemplare in unseren Botanik-Museen. Bin heute im Schutzanzug durch den Brechnusswald spaziert. Gewächse, denen wir sehr viel verdanken. Sie gedeihen in der weltweiten Steppe und ihre Frucht liefert hochwertigen Treibstoff. Ihre Blätter halten die starke Strahlung ab. Im populären Liedgut ist der Brechnusswald ein Ort der Begegung zwischen Liebenden. Die Jugendlichen gestalten ihre Mutproben mit den Nüssen, deren Verzehr heftige Übelkeit bewirkt und in hohen Dosen tödlich wirken kann. Aber wir, besser gesagt unsere Botanik-Robots, pflegen diese Wälder wie Heiligtümer, weil wir wissen, was von ihnen abhängt.

To be continued …

Alle Tagebucheinträge von nov aus dem 22. Jahrhundert

Freie Bildung statt Bildungsmüll

Donnerstag, 19. November 2009 von urb

Herzlichen Glückwunsch! Wie es unsere Bildungsinstitutionen nur wieder geschafft haben, den jungen Leuten das Gefühl zu geben, dass sie statt gefördert verwertet, verwurschtet und entsorgt werden. Zuerst um Studierende werben und sie dann wie lästigen Müll zwischen überfüllten Hörsälen und schlecht konzipierten Bachelor-Terror herumliegen lassen! Gut, dass die Studis sich das nicht gefallen lassen. Schon weht eine leise Brise Solidarität durchs Land.

Bildungsmüll

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