Hyperbaustelle

Ecosia – eine nachhaltige Geschäftsidee

Nachhaltigkeit ist schon längst zum Marketingargument geworden. Die Suchmaschine Ecosia spricht Nutzer gezielt über die Mithilfe bei der Rettung des Regenwalds an. Jana Kroll ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und äußert sich auf der Hyperbaustelle zu persönlichen Motiven, Zielen und Utopien im Zusammenhang mit nachhaltigen Geschäftsideen.

Jana Kroll von Ecosia

Jana Kroll von Ecosia; Foto: Privat

Seit ich das Firefox-Addon installiert habe und mir angezeigt wird, wie viele Quadratmeter Regenwald ich bereits geschützt habe, fühle ich mich schon mal besser. Kann ich wirklich damit rechnen, schon mehrere Fußballfelder Wald gerettet zu haben?

Jana Kroll: Zur WM will jeder Fußballfelder retten, oder? Ansonsten dienen die Fußballfelder wohl eher dem Spiel der 22 Millionäre. Bei Ecosia veranschaulichen sie die Summe Geld, die für den Schutz des Regenwaldes im brasilianischen Juruena-Nationalpark zusammengekommen ist.

Hilft wirklich jeder Klick? Stichwort sponsored Links.

Genau genommen verdient Ecosia nur mit Klicks auf die Sponsorenlinks Geld. Wir sagen aber mit Absicht, dass jeder Klick hilft. Das hat zwei Gründe: Zum einen verschrecken unechte Klicks auf Anzeigen die Werbekunden, wozu Ecosia natürlich nicht verleiten möchte. Zum zweiten ist uns jeder Nutzer wichtig, egal wie oft er Anzeigen klickt. Auch wenn man nie Anzeigen klickt, trägt man indirekt zum Schutz der Regenwälder bei. Es geht vielmehr um strategischen Konsum, darum, Ecosia statt eine andere Suchmaschine zu unterstützen.

Wie kamen Sie darauf, das Internet und den Regenwald gewinn- und schutzbringend miteinander zu verknüpfen? Und was war zuerst da? Engagement für die Umwelt oder die Suche nach einer Geschäftsidee?

Mein Bruder, Christian Kroll, ist der Gründer von Ecosia. Er hat neben seinem Studium diverse Internetprojekte aufgebaut und gemerkt, wie viel Geld mit Suchmaschinen umgesetzt wird. Nach Abschluss seines BWL-Studiums brauchte er Abstand, hatte Lust auf neue Menschen, fremde Kulturen und andere Gedanken. Dafür ging er ein Jahr auf Weltreise. Dabei besuchte er auch den Regenwald im Norden Argentiniens und beschäftigte sich danach viel mit der Bedeutung der tropischen Wälder. Nach kurzer Zeit war ihm klar, dass er einen Beitrag zum Schutz der Regenwälder leisten will.

Haben Sie (oder Ihr Bruder) sich bereits in anderen ökologischen oder sozialen Projekten engagiert?

Christian hat während seiner Weltreise einige Zeit in Nepal verbracht und dort soziale Projekte aufgespürt, die er mit seiner ersten Suchmaschine „Xabbel“ finanzierte. Xabbel gibt es nicht mehr, aber ein Schulgeld- und ein medizinisches Projekt finanziert er seither privat.

Die Suchmaschine Forestle war dann ein Zwischenschritt?

Forestle war sein erster Versuch eine grüne Suchmaschine aufzubauen. Allerdings war Forestle durch die Verträge mit Yahoo zu sehr auf Europa beschränkt.

Sie waren sofort mit von der Partie?

Ich habe meinen Bruder von Beginn an unterstützt, das ist jetzt fast drei Jahre her. Seine Begeisterung hat sich sofort auf mich übertragen. Ich hatte große Lust, mich für eine gute Sache zu engagieren – bis vor einem halben Jahr war das ehrenamtlich.

Eine Suchmaschine ist zunächst einmal etwas Umweltbelastendes mit ihrem Ausstoß von 0,2 Gramm Kohlendioxid pro Suchanfrage und dem wachsenden Anteil der Suchmaschinen an der CO2-Produktion. Liegen in Ihrem Konzept, scheinbar Disparates miteinander zu verknüpfen, Lösungen für die Zukunft? Oder wo sehen Sie die Grenzen?

Internet und Suchmaschine sind aus unserem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Man muss also sehen, wie man deren negativen Umwelteffekt umgeht. Wichtig ist, dass hier nicht Schluss ist. Es braucht die Weiterentwicklung effizienter Technologien, genauso, wie die Auseinandersetzung mit den eigenen Klimasünden.

Ecosia ist mehr als reine Kompensation des CO2-Ausstoßes, denn der nachhaltige Schutz der Regenwälder ist eine der größten und wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit, um das Klima zu schützen.

Das gegen die Ressourcenverknappung gerichtete Bewusstsein wächst weltweit von Tag zu Tag. Reicht das, um sich neben der Übermacht Google zu etablieren? Und wie reagiert der Marktriese?

Wir denken, dass ungefähr ein Prozent der Internetnutzer dazu bereit ist, über Ecosia oder ähnliche Projekte zu suchen und dabei auf einen Teil der Features von Google, etc. zu verzichten. Manchen Usern ist das, was Google macht, auch zu viel. Ecosia möchte hier die Balance finden. Vielleicht muss dabei auf das eine oder andere Tool verzichtet werden, zu Gunsten von Ökologie und Datenschutz. Trotzdem hat Google Ecosia schon registriert – das wissen wir.

Wie haben Sie das bemerkt?

Google hat kürzlich angefragt, ob wir kooperieren möchten. Wir haben das Spiel mitgespielt. Später hat Google sich an seine eigenen Kriterien für Partnerschaften erinnert, die sagen, dass die Werbeeinnahmen nicht gemeinnützig verwendet werden dürfen.

Und würden Sie Ihre Dienste anbieten, wenn Google diese Klausel abschaffen würde?

Denkt man nur an den Regenwald, müssten wir es eigentlich tun, denn leider kommen viele Menschen von Google nicht los. Allerdings sind Googles Datenschutzbestimmungen für Ecosia nicht tragbar.

Sie treten 80 Prozent Ihrer Einnahmen für das Amazonasprojekt des World Wide Fund For Nature (WWF) ab. Was bleibt für Sie?

Erst einmal 20 Prozent. Die brauchen wir momentan auch, um Ecosia zu verwalten und weiterzuentwickeln. Ecosia ernährt bislang 1,5 Mitarbeiter plus zirka zehn Freelancer, die zum Teil nur einige Stunden im Monat für das Projekt aufbringen. Es gibt eine Menge Ideen, an deren Umsetzung wir arbeiten – die Version Ecosia 2.0 wird viele neue Features haben. Sollten wir in Zukunft weniger als 20 Prozent für die Verwaltung und Weiterentwicklung brauchen, wird die Spendenquote angehoben.

Was gehört für Sie zu einer zeitgemäßen Geschäftsidee?

Die Verabschiedung von ausschließlich monetären Werten hin zu sozialen und ökologischen. Außerdem reale Preise für Energie, Dienstleistungen und Personal. Erfreulicherweise gibt es immer mehr Unternehmen die das kapieren. In diesem Sinne versteht sich Ecosia als Social Business, das heißt, der Gewinn bleibt im Unternehmen und geht entweder in den Regenwaldschutz oder in die Weiterentwicklung von Ecosia.

Was unterscheidet Ecosia beispielsweise von Swisscanto? Der schweizerische Investmentfondsanbieter investiert in Unternehmen, die einen Beitrag zur Reduktion von Umweltproblemen leisten.

Bei Swisscanto geht es um Rendite. Bei Ecosia kann man höchstens von einer Sauerstoffrendite sprechen.

Sie werden manchmal angegriffen, weil Ihre Server bzw. die von Yahoo oder Bing, nicht mit Ökostrom laufen? Arbeiten Sie an einer Lösung?

Wir haben das Thema im Blick. Derzeit haben wir leider kaum Möglichkeiten, da was zu ändern. Wir schätzen den Anteil unserer Serverleistung pro Suchanfrage auf 25 Prozent. Das heißt: Pro Suche wird bei Ecosia ein Viertel weniger grauer Strom verbraucht als bei herkömmlichen Suchdiensten – immerhin.

Gibt es bei Yahoo Bestrebungen, mit regenerativen Energien zu arbeiten?

Nicht dass ich wüsste … Yahoo wird hier wohl kaum eine Vorreiterrolle übernehmen.

Ecosia wird mittlerweile schwerpunktmäßig in 12 Ländern von zirka 66.000 Menschen innerhalb von 24 Stunden genutzt. Versuchen Sie Ihre vielen User noch anderweitig für die gute Sache zu gewinnen?

Ecosia regt die User an, sich mit ökologischen und nachhaltigen Themen auseinanderzusetzen. Zurzeit gibt es eine Nachricht zum StromCheck der Kampagne „Klima-sucht-Schutz“. Dieser soll animieren, über den eigenen Energieverbrauch nachzudenken und auch etwas zu ändern. Und Ecosia konfrontiert die User mit gesellschaftspolitischen Themen, zum Beispiel durch einen Hinweis auf den Kinostart des Filmes Energy Autonomy – DIE 4. REVOLUTION.

Was ist Ihre persönliche Utopie? Und wo würden Sie darin Ecosia ansiedeln?

Ich denke, unsere westliche Gesellschaft sollte sich neu strukturieren, um ihre Menschen nicht völlig krank zu machen. Hierbei spielt für mich der Begriff FREIHEIT eine zentrale Rolle, und auch die Macht der Verbraucher.

Ecosia ist ein Beispiel für eine neue Struktur. Unsere User möchten nicht die Macht und Datengier großer Konzerne befriedigen. Und die Euros stecken wir doch lieber in den Regenwaldschutz und den Erhalt unseres Planeten.

Lest auch:
http://ecosia.org/
http://de.wikipedia.org/wiki/Ecosia
http://www.wwf.de/interaktiv/mach-mit/ecosia-suchmaschine-rettet-regenwald/
http://www.focus.de/digital/internet/ecosia-suchmaschine-will-regenwald-retten_aid_460358.html
http://www.energieblog24.de/ecosia/
http://www.3sat.de/page/?source=/nano/umwelt/142836/index.html
http://www.taz.de/1/berlin/tazplan-programm/artikel/?ressort=wu&dig=2010%2F02%2F08%2Fa0085&cHash=683f312228
http://zeitblick.wordpress.com/2009/12/12/ecosia-org-rettung-oder-schwindel/

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 07. Juli 2010 um 10:00 Uhr von urb veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Gespräch abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen. Du hast die Möglichkeit einen Kommentar zu hinterlassen, oder einen Trackback von deinem Weblog zu senden.

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6 Comments »

  1. 132.703.792 m² Regenwald sollen laut ECOSIA nun also schon gerettet sein!

    Komisch, dass Brasilien insgesamt auf eine Größe von gerade mal 8.514.215 km² kommt. Damit wäre jetzt ja zumindest der Regenwald in Brasilien mindestens um das Hundertfache gerettet worden. Diese Zahlen verwundern mich nur etwas, wobei ich die Idee anfänglich auch toll fand. Auf den Seiten des WWF entdeckt man auch kein Projekt, welches auf nachhaltige Projekte im Amazonasgebiet hinweisen …

    Etwas ratlose Grüße! Francis

    Comment: Francis – 26. Juli 2010 @ 00:00

  2. Mich würde interessieren, wie es um die Weiterentwicklung effizienter Technologien steht. Weiß hier jemand Bescheid, wie der Stand der Forschung bei der Servertechnik ist?

    Comment: paul – 28. Juli 2010 @ 09:58

  3. […] schützt der WWF, unter anderem mit Hilfe der Suchmaschine Ecosia, ein Waldstück im brasilianischen Juruena-Nationalpark, und es gibt dergleichen löbliche […]

    Pingback: Hyperbaustelle » Harapan – Hoffen auf Indonesisch | Utopie-Blog – 28. Juli 2010 @ 16:04

  4. […] als ernst gemeinter Begriff in die Businessmodelle eingeschrieben sein? Ein Gespräch mit Jana Kroll von Ecosia drehte sich um diese Frage. Die Suchmaschine Ecosia spricht Nutzer gezielt über die Mithilfe bei […]

    Pingback: Hyperbaustelle » Nachhaltiger Juli | Utopie-Blog – 03. August 2010 @ 23:29

  5. Hallo Francis,

    132.000.000 Quadratmeter sind nur 130 Quadratkilometer 😉

    Comment: Jana Kroll – 05. August 2010 @ 13:03

  6. @Francis: Der World Wide Fund For Nature (WWF) weist in seiner Rubrik auf Ecosia hin: http://www.wwf.de/interaktiv/, Deeplink: http://www.wwf.de/interaktiv/mach-mit/ecosia-suchmaschine-rettet-regenwald/

    Comment: urb – 05. August 2010 @ 13:11

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