Der Maler, der sich in einer unendlich langen Reihe von Spiegeln beobachtet und sich dabei malt, kommt schließlich selbst im Bild an – ein romantisches Ideal. Menschen, die bunte T-Shirts tragen, sich im Kino dauernd umsetzen und in einer Stopmotion-Animation von Guillaume Reymond selbst zu ihrem eigenen Spielgegenstand werden – das ist auf die Füße gestellte Cyberromantik.
Sicher, in den Computer-Pionierzeiten hatten Spiele nicht selten den Charme einer Mausbewegungsübung. Man konnte jedem einzelnen Pixel zusehen, wie er sich eckig auf dem kleinen Bildschirm bewegte. Ganz im Vordergrund stand die Spielidee und wie sie mit einfachsten Mitteln umgesetzt werden kann, ohne ein Heer von Spezialisten zu beschäftigen. Die perfekte und täuschend lebensechte Grafik ist eben nicht unbedingt des Pudels Kern. Guillaume Reymond geht es in seiner Kunst um den ursprünglichen Spieltrieb. Von 3Sat dazu befragt, antwortete er:
»Ich beziehe mich auf die heutige Informatik-Industrie, die gigantische virtuelle Welten generiert. Mir gefällt es, Leute in einem Kino zu versammeln und das Spiel auf ein menschliches Maß zurück zu bringen – mit Freiwilligen, die sich stundenlang geduldig von einem Bild zum nächsten bewegen.«
Ein solches Spiel kann nicht einfach konsumiert werden. Es stumpft nicht ab. Denn alle beteiligten Körper müssen sich selbst bewegen und miteinander kommunizieren. Der fertige Film ist von einem kindlichen Vorsichhinsingen der Tetrismeldodie und der Funktionsgeräusche begleitet, das die synthetischen Klänge der frühen digitalen Sounds simuliert, aber gleichermaßen quasi regredierend mit neuem Leben füllt. Die Stopmotion-Animation lässt die Menschen ruckelnd ferngesteuert aussehen, aber die Spannung zwischen bewegter Struktur und lebenden Pixeldetails macht das Ganze eigentümlich anziehend.
Im Spiel und in der Kunst ist es dem Menschen möglich, seine Potenzialität auszuleben. Gut, wenn beides zusammenkommt und ein Expermentierfeld an Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, die auf gesellschaftliche Prozesse übertragen werden könnten. Ist Reymonds Spielkunst dann ein Symbol für gelebte Demokratie im digitalen Zeitalter? Ein Versuch, sich auch in den vielfältigen Simulakren auf das Wesentliche zu besinnen und den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu rücken? Ohne Spieltrieb keine neuen Lösungen, das kann man jedenfalls erst einmal festhalten.
« Top 10 – August 2010 – 2110 – Die Schlange »
No comments yet.