Hyperbaustelle

Generation StefanSusanne

Wer schon in der Schule in übergroßen Klassen immer verwechselt wurde und nach dem Wirtschaftswunder aufgewachsen ist, hat die Ruhe weg: Hoffnung vorprogrammiert, könnte man sagen. Jedenfalls sieht man an den geburtenstarken Jahrgängen der 1960er Jahre, dass man sich nicht zu verschärftem Konkurrenzverhalten treiben lassen muss, um sein Auskommen zu haben.

Kann man da noch von Alterspyramide sprechen? Die Ausbauchung in der Mitte, das sind die 1960er Jahrgänge. Quelle: Statistisches Bundesamt

Kann man da noch von Alterspyramide sprechen? Die Ausbauchung in der Mitte, das sind die 1960er Jahrgänge. Quelle: Statistisches Bundesamt

Da spricht mir Stefan Willeke doch mal aus der Seele: Im Zeit-Magazin Nr. 39 schreibt er über seinen, den geburtenstärksten Jahrgang: 1964. „Niemand von uns konnte das Gefühl entwickeln, irgendetwas auf dieser Welt exklusiv zu haben. Das war unser großes Glück.“ Diese Generation kennt keinen Ehrgeiz, und auf diese Weise kam sie zu einer positiven Weltsicht. Jeder Einzelne konnte in der Menge abtauchen und trotzdem auf genügend Ressourcen hoffen. Die 60er waren auf Happy End getrimmt. Als Studierende konkurrierten sie nicht, sondern schrieben sich für relativ nutzlose Fächer ein und versammelten sich in Friedensmärschen. Straßenkämpfe waren vom Weltgeist bereits abgeurteilt. Karriere hatten die wenigsten im Blick, vielleicht sah man deshalb so gelassen in die Zukunft.

Wenn ich mir heute schon Schüler anschaue, haben die mehr Profilierungszwang, als sich bei mir in meinen ganzen Leben ausprägen konnte. Der Druck, der auf die jungen Generationen ausgeübt wird, verdirbt ohne den geringsten Effekt. Die richtige Antwort auf diesen wachsenden gesellschaftlichen Terror ist die Gelassenheit, die man sich von den Taxifahrer-Berufsverläufen der geburtenstarken Jahrgänge abschauen kann. Nicht auf den Karriere-Hysterie-Zug aufspringen oder zu Eliten gehören wollen. Verdummen kann man nämlich auf wesentliche angenehmere oder sogar schönere Arten. Je mehr Solidarität wir uns erhalten, desto besser finden wir alle unser Auskommen. Und je weniger wir protzen wollen, desto mehr schonen wir die natürlichen Ressourcen und unsere Nerven.

Die meisten Ziele, die in einer von der Wirtschaft diktierten Epoche ausgegeben werden, sind vollkommen unsinnig. Dass dafür inzwischen hauptsächlich auch Leute aus der Generation der 60er verantwortlich sein sollen, ist eigentlich kaum zu glauben. Vielleicht sind sie durch die Geborgenheit der 70er Jahre blind für Krisen und Zwänge, in die sie ihre Nachkommen stürzen. Hoffnung macht mir der Gedanke, dass wir uns morgen vielleicht schon an die freie Luft erinnern, die wir in damals geatmet haben. Dass wir uns einfach zu einem Dasein in der Gruppe bekennen, in der wir uns unsere ganze Jugend so wohl gefühlt haben. Dass uns der zivile Ungehorsam zu freieren und glücklicheren Menschen macht. Dass die Nachgeborenen dann endlich einmal etwas von uns lernen können …

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 23. Dezember 2009 um 00:30 Uhr von urb veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik / Gesellschaft abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen. Du hast die Möglichkeit einen Kommentar zu hinterlassen, oder einen Trackback von deinem Weblog zu senden.

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