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Demokratie ist keine Tatsache – Oskar Negt

Der Tod der Utopien hat uns den Tatsachenmenschen in die Hände gespielt. So meldet sich der Philosoph Oskar Negt mit einem aufklärerischen Bekenntnis zu Wort. Auf Spiegel online betont er die Wichtigkeit des fortwährenden Lernens von Demokratie und hat große Resonanz im Netz. Aber was kann Aufklärung noch ausrichten, wenn sie nicht handeln darf?

Oskar Negt, deutscher Sozialphilosoph, führender Denker der Kritischen Theorie und einige Zeit auch Berater von Kanzlerkandidat Schröder

Oskar Negt, deutscher Sozialphilosoph, führender Denker der Kritischen Theorie und einige Zeit auch Berater von Kanzlerkandidat Schröder; Foto von www.litera-hannover.de

Oskar Negt macht deutlich, dass „betriebswirtschaftliche Rationalisierung“ nicht zu einem neuen Weltentwurf taugt und dass Bankenrettung eine negative Utopie ist. Das herrschende verdrehte Bewusstsein laufe den Emanzipationsidealen der Aufklärung zuwider. Die Wirklichkeitsspaltung bestehe darin, dass die subjektiven Orientierungen der Menschen und das öffentliche System der staatlichen Institutionen bzw. die Logiken der Wirtschaft vollkommen auseinander driften.

Dem Aufgeklärten mag dies alles klar sein. Aber er besitzt nicht die Autonomie, diesen Erkenntnissen Handlungen folgen zu lassen, wenn sich die Mehrheit weiterhin auf die Tatsachenmenschen verlässt, die uns sagen, was alles nicht geht. Erstaunlicherweise dienen ihre Unterlassungen immer dem eigenen Nutzen. Deshalb soll sich der Aufgeklärte, meint Oskar Negt, an die Risse und Widersprüche in seinem Alltag halten und versuchen, hier den Hebel anzusetzen. Das kommt von unten, allerdings! Aber wird es auch oben ankommen?

Demokratie ist keine Tatsache! „In diesem Land herrscht Demokratie“ lässt sich zwar so einfach sagen wie „dieses Unternehmen ist eine Aktiengesellschaft“, aber per definitionem kann da nichts ausgerichtet werden, weil Demokratie gelebt werden muss. Demokratie ist ein Prozess, der nicht abschließbar, der abgeschlossen tot ist. Demokratie ist etwas, das dauerndes Lernen braucht. Und früh erfahrenes Verständnis. Und Mäßigkeit. Mal mit den eigenen Interessen zurückstecken können, aber sie auch gegen dreiste Machtansprüche behaupten.

In unseren Gesellschaften gibt es diesbezüglich ein scharfes Missverhältnis. Während die einen lernen und diskutieren, handeln die anderen, wie es ihnen gerade taugt. Und eine Mehrheit tut beides nicht, sondern kümmert sich um ihr materielles Auskommen. Wenige sind nicht einmal in der Lage, sich um sich selbst zu kümmern. Und die meisten flüchten in Fiktionen, mit denen sie gefüttert werden und sich füttern lassen. Was könnte uns in einer solchen prekären Situation zusammenschließen? Eine gemeinsame Hoffnung auf die Besserung der Zustände?

Lest:
Oskar Negt: In dieser Gesellschaft brodelt es

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 31. August 2010 um 17:37 Uhr von urb veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik / Gesellschaft abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen. Du hast die Möglichkeit einen Kommentar zu hinterlassen, oder einen Trackback von deinem Weblog zu senden.

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