Hyperbaustelle

Juni-Passion

Während die Welt nach Südafrika schaut und großzügig über die Bannmeilen und Geschäftemachereien der Fifa hinwegsieht, sickert das Sparpaket der schwarz-gelben Koalition langsam in die Duldsamkeit der Deutschen. Als Gegengewicht wurde auf der Hyperbaustelle der französische Philosoph Alain Badiou vorgestellt, der sich von einer Passion, Erkenntnisse in die Realität umzusetzen, leiten lässt. Eine antikommerzielle Einstellung beseelt auch den Jazzmusiker Steve Coleman, der seine Alben kostenlos zum Download anbietet.

Torjubel

An und für sich ist am Sport nichts auszusetzen. Aber er hat eine volksverdummende Funktion, die einem wieder allzu deutlich ins Auge springt, wenn man Angela Merkel tolpatschig applaudierend im Fußballstadion sieht. Deutschland habe Unglaubliches geleistet, meinte sie im Interview, und hätte sich da wohl gerne mit bei Jogi, Müller, Schweini und Klose unter den Schirm gestellt. Aber Deutschland und speziell diese Regierung hat nicht überrascht und keine „Leidenschaft im Bein“ oder sonstwo. Im Schatten der WM hat sie – wie die Fifa im Übrigen auch – die Grundlage gelegt, dass manche reicher werden und viele andere auf lange Sicht ärmer. Ich fand: ein Grund zum Amok laufen.

Handeln und Opportunismus

Man sollte Philosophie nicht zur formalen Nebensache, zum bloßen Kommikationsakt von Rhetorik-Platzhirschen oder zur Beschreibung von Unveränderlichkeiten verkommen lassen. Alain Badiou steht für diesen Willen, sich am Realen abzuarbeiten und Erkenntnisse in Handlungen münden zu lassen. Und man sollte dabei keine opportunistische Ausrichtung haben, ansonsten geht man – um mit Marc-Uwe Kling zu sprechen – den Weg aller Bananen.

Ideen sind frei

In der progressiv verstandenen Netzkultur gibt es kein Eigentum, das nicht mit anderen geteilt werden könnte, sollte, müsste … Aber ist das auch noch herrschende Meinung, wenn man selbst der Inhaltelieferant ist, eventuell mit der Produktion dieser Inhalte sein Geld verdienen muss? Steve Coleman leistet hier einen Spagat zwischen „von der Musik leben“ und andere daran teilhaben lassen: Er ist der Meinung ist, dass Ideen frei für jeden sein sollten.

Keiner wird exkommuniziert!

Der Tagebuchbeitrag Exkommuniziert? entfachte eine Diskussion um die Rolle der Online-Kommunikation, die hier in Auszügen wiedergegeben werden soll:

Kathrin empfindet es als »wahrhafte Hölle, dass durch die pure Tatsache, dass etwas im Netz steht, diesem schon Bedeutsamkeit verliehen wird«. Ich weise auf den positiven Effekt dabei hin: »das Ritual, das Verbindlichkeit schafft, im Vordergrund die soziale Bindung, Empathie vor Intellekt«. Kathrin beruft sich auf eine Studie, »nach der die Empathiefähigkeit von jungen Menschen eher abnimmt. Einer der angegebenen Gründe: die Gewöhnung an virtuelle Kommunikation, bei der man z.B. jederzeit aussteigen kann und die Reaktionen des anderen, gerade die emotionalen, gar nicht mitbekommt«. Nina ist auch der Meinung, dass die sozialen Bindungen, die „körperlich“ gelebt werden »einen ganz anderen Stellenwert als die oft unverbindliche und distanzierte digitale Mitteilung haben«. Claudia verweist auf die vielen Unsicherheiten in der Online-Kommunikation, die noch zu überwinden sind, und entgegnet einem Einwand von mir, dass sich aktive Netzteilnehmer oft in narzisstische Monaden verwandeln: »Im Lauf der Jahre hat das Kommentargespräch im Digital Diary für mich oft größere Bedeutung angenommen als der Artikel.«

2110 – Urbanes Leben auf dem Meer und die Bedeutung des Wassers

Die Tagebucheinträge aus dem Jahr 2110 sehen eine Renaturalisierung der Währungssysteme auf uns zukommen, sobald die Menschen begriffen haben, dass sie durch sich gegenseitig abzocken nicht überleben können. Infolge des Meeresspiegelanstiegs fantasieren die letzten beiden Niederschriften über eine Wasserarchitektur, die neue Formen des Zusammenlebens, der Energiegewinnung und Sicherung der Lebenssysteme mit sich bringen könnte. Wusstet ihr in diesem Zusammenhang, dass Babel von hebräisch „Geplapper“ kommt und Böhmen am Meer liegt?

Die vorherigen Monate im Überblick

Dieser Beitrag wurde am Sonntag, 04. Juli 2010 um 15:02 Uhr von urb veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Über das Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen. Du hast die Möglichkeit einen Kommentar zu hinterlassen, oder einen Trackback von deinem Weblog zu senden.

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5 Comments »

  1. Passendes von mir selbst produziertes Missverständnis zur Netzkommunikation – ich meinte: eine Exkommunikation in dem von nov beschriebenen Sinne ist in einer Zeit, in der erst (oder auch schon) online-Präsenz Bedeutsamkeit verleiht, tatsächliche eine der christlichen Hölle nahekommende Bedrohung.
    Vermutlich ist einer der ersten Lehrsätze für den noch zu schreibenden Netz-Knigge: Vermeide unvollständige Sätze!

    Comment: Kathrin – 05. Juli 2010 @ 20:54

  2. Womit Claudia doch wieder Recht hat … Sorry, aber es hätte für mich auch so Sinn ergeben …

    Comment: urb – 05. Juli 2010 @ 21:35

  3. Die Fußball-WM ist im Zeitalter der Globalisierung kein Vehikel des Nationalismus mehr, auch wenn dieser ausreichend bedient wird, man denke an die Schmähverse gegen die Argentinier und Maradona. Sondern Ausdruck einer weltweiten Geschäftemacherei und Ablenkungsmanöver von unpopulären politischen Entscheidungen, sehe ich genauso.

    Comment: paul – 05. Juli 2010 @ 23:20

  4. @ paul: ich denke aber, das Ablenkungsmanöver funktioniert gerade über den Nationalismus, nach der Logik, dass dieses Land, für das wir alle so jubeln, doch gut sein muss, auch wenn die Politiker zum Beispiel mal sparen müssen.

    Comment: Kathrin – 09. Juli 2010 @ 00:35

  5. @Kathrin: Es gibt da natürlich einen Zusammenhang. Ein Fan sagte nach dem Ausscheiden der Deutschen im TV, er sei nicht enttäuscht von der deutschen Mannschaft, weil sie ein sehr gutes Turnier gespielt hätte. Endlich gäbe es wieder eine Gemeinschaft in Deutschland. Das hat mich schockiert, auch weil die ARD diesen O-Ton tatsächlich gesendet hat. Ich verstehe die Sehnsucht nach einer Gemeinschaft, aber der Verblödungsgrad ist hoch, wenn man sie im Fußballgeschäft und auf nationaler Ebene eingelöst sieht.

    Comment: paul – 09. Juli 2010 @ 13:14

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